Füllgas [2]

[244] Füllgas für Luftschiffe und Fesselballone. – Als solches wird seines großen Auftriebes (1100–1200 g/cbm) und der leichten technischen Darstellbarkeit wegen bisher ausschließlich Wasserstoff verwendet. In neuester Zeit wird auch das Helium genannt, das bei einem Auftrieb von 1116 g/cbm den großen Vorzug der Unbrennbarkeit besitzt. Sein spärliches Vorkommen in einigen Erdgasquellen (bis zu 1 Volumprozent des ausströmenden Erdgases) sowie als Bestandteil der Atmosphäre am Erdboden (0,0005 Volumprozente) stand bisher seiner Anwendung bei dem dauernd steigenden Gasbedarf im Wege.

Wegen der einfachen Handhabung der Apparatur und des geringen spezifischen Gewichts des erzeugten Wasserstoffs haben sich die nach dem Eisenwasserdampfverfahren arbeitenden ortsfesten Anlagen (Bamag, Franke-Bremen, Pintsch) für die Luftschiffahrt besonders bewährt (Fig. 1). Wasserdampf wird in Generatoren über glühendes Eisen geleitet, wobei das Wasser in seine Bestandteile zersetzt wird. Der Sauerstoff des Wasserdampfes verbindet sich mit dem Eisen zu Eisenoxyd; der Wasserstoff wird frei nach der Reaktion:

FeO + 3Fe + 4H2O = Fe3O4 + FeO + 4H2.

Der gewonnene Wasserstoff wird über eine Schwefel- und Kohlensäurereinigungsapparatur zum Gasbehälter geleitet. Um das Eisen wieder reaktionsfähig zu machen, wird ein zweiter Arbeitsgang eingeschaltet, in welchem durch Ueberleiten von Wassergas dem Eisen der Sauerstoff wieder entzogen wird. Es wechseln im Betriebe also dauernd Gase- und Reduktionsperioden. Militärische Anlagen der genannten Systeme hatten Leistungen von 10000 und 20000 cbm täglich. Das auf der Reaktion zwischen metallischem Silicium und heißer Natronlauge

Si + 2NaOH + H2O = Na2SiO3 + 2H2

beruhende Verfahren (Schuckert-Nürnberg) eignet sich der leicht beweglichen Apparatur wegen insbesondere zu fahrbaren Anlagen, die im Kriege zum Füllen der Fesselballons benutzt wurden. Bei gleichzeitiger Verwendungsmöglichkeit des mitgewonnenen Sauerstoffs zu anderen Zwecken werden stationäre Anlagen derselben Firma nach dem elektrolytischen Verfahren bevorzugt (Fig. 2). Wird das Gas nicht an seinem Erzeugungsort verwendet, so füllt man es mittels Kompressoren in versandfähige Stahlbehälter. Die früher ausschließlich benutzten Gasflaschen faßten bei einem Wasserinhalt von 35 l und 170 Atm. Druck ungefähr 5 cbm Gas. Der mit dem Aufschwung der Luftschiffahrt einsetzende starke Gasbedarf führte bald zum Bau von Gaskesselwagen. Auf Eisenbahnwagen sind große Stahlbehälter, in welche das Gas unter 100–200 Atm. Druck eingefüllt wird, fest montiert. Der lästige Transport der Gasflaschen von und zum Wagen fällt formt fort. Die Anzahl der Hochdruckkessel auf einem Wagen schwankte zwischen 2 und 14. Fig. 3 zeigt einen Bamag-Wagen mit 2 Stapeln von je 7 Hochdruckkesseln, die zusammen bei 200 Atm. Druck ungefähr 2500 cbm Wasserstoff enthalten. Als Schutz gegen Sonnenbestrahlung dient ein leichtes Holzdach, zur guten Durchlüftung des Wagens ein Lattenverschlag (in der Abbildung weggelassen). Die Lagerung geschieht bei den Gasflaschen in Stapeln, wobei jede Flasche mittels Kupferschlange an eine Sammelleitung angeschlossen wird; die Gaskesselwagen werden mittels Spiralschläuchen zum Abfüllen an die Hauptfülleitung angeschlossen. Liegt die Gasanstalt, wie dies heute meist der Fall ist, beim Luftschiffhafen, so ist ein Transport unnötig. Das Gas wird entweder in große Niederdruckbehälter geleitet oder unter Kompression auf 100 Atm. in Hochdrucklagern aufbewahrt. Letztere bestehen[244] aus Batterien von je 6 Stahlzylindern zu je 10 cbm Wasserinhalt. Die Füllanlage besteht aus einem Sammelrohr, das vom Gasbehälter, Hochdrucklager oder Abfüllplatz in die Luftschiffhalle führt; hier zweigen die zur Füllung der einzelnen Gaszellen nötigen Anschlußleitungen ab. Sämtliche Gasleitungen werden unterirdisch, jedoch in zugänglichen Kanälen gelagert. Eingeschaltete Sicherheitsventile verhindern die übermäßige Beanspruchung der Leitung sowie auch gefährliche Strömungsgeschwindigkeiten beim Füllen.

Helffrich.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 244-245.
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